"Warum hat Herr Valcke die Fifa vor einem halben Jahr verlassen und istplötzlich wieder da - als die Nummer zwei?"Fürwahr, gute Frage. Spannender als das Geplapper über endloseTestreihen mit Chip im Ball oder fünftem, sechstem, achtemSchiedsrichter, die irgendwelche Nachwuchsturniereöffentlichkeitswirksam aufbrezeln: Oha, dort passiert was! Zurück zurFrage. Die Antwort kam aus Blatters zitterndem Munde: "Wir reden überdie Gegenwart und nicht über die Vergangenheit. Herr Valcke hat eineAuszeit genommen. Jetzt ist er wieder da, und wir sind glücklichdarüber."Welche Chuzpe. Zumal Blatter selbst gerade den "schmerzlichen Vorfall"eingeräumt hatte, der die Fifa 90 Millionen Dollar gekostet habe: derschmutzige Wechsel vom Langzeit-Werbepartner Mastercard zu dessenRivalen Visa. Miturheber des von einem US-Gericht aufgedecktenFoulspiels: der Fifa-Marketingchef Valcke. Blatter feuerte ihn Ende2006. Monate später die Rückkehr. Und jetzt, klar, die teuflische Frage.Gequälte Blicke, hilfloses Schweigen. Und Blatters platteVertuschungsrhetorik.Mutmaßungen liegen auf der Hand, genährt von den Rügen der US-Richter.Sie bezichtigen ja hohe Fifa-Funktionäre der Unwahrheit, auch Blattersoll von wesentlichen Vorgängen gewusst haben, die sich im Rücken desgetäuschten Werbepartners abspielten. Und übrig blieb trotz der teurenEinigung mit Mastercard ein heikles Offizialdelikt, auch nach SchweizerRecht: Die Fifa legte den US-Richtern einen Vertrag mit Visa vor, derdie Unterschrift des Visa-Chefs Christopher Rodrigues trägt - die vonVisa eingereichte Vertragskopie trug eine erkennbar andere Unterschrift,sehr wahrscheinlich die originale. Und überdies ein anderes,höchstwahrscheinlich wahres Datum, es bekundet einen späterenVertragsabschluss. Dass eine Fälschung vorliegt, ist klar. Dass sie vonVisa begangen sein könnte, war nie Thema. Dass sie also von der Fifakommt, die ein klares Motiv dafür hatte, wird irgendwie matt dementiert,nicht substantiell bestritten.Wer ordnete sie an? Wer nahm sie vor? Wer war eingeweiht?Details des Vertragsgeschachers kannten Marketingchef Valcke undGeneralsekretär Urs Linsi. Letzterer, mit viel Internkenntnis in Ungnadegefallen, machte sich im Juni davon, schanzte sich aber selbst rasch einpaar Milliönchen als Abfindung zu: nicht zwei, nicht drei, nicht fünf -acht Jahresgehälter. Nach fünf Jahren im Amt. Die Fifa sagt, sie hatjetzt ein paar Regeln für Arbeitsverträge geändert, aber natürlichschweigt Blatter auch zur Linsi-Affäre.Das Schweigen zu selbst verschuldeten Abgeltungen in dreistelligerMillionenhöhe passt in die kalte, hohle Pracht des neuen155-Millionen-Euro-Gebäudes der Fifa. Es wirkt wie die Filmkulisse fürein paar Dutzend Leute, die sich den Verband mit dem wichtigstenMarkenrecht des Planeten unter den Nagel gerissen haben und die beimGeldschöpfen ab und zu innehalten, um ein paar um die WM bettelndeStaatsoberhäupter vor sich stramm stehen zu lassen. Diese Nebenwelt desFußballs wird immer absurder. Und wenn es den Betrachter gruselt, dann,weil ihm einfällt, dass dies kein Film ist. Männer, die Bruderküsseaustauschen, sich ihre Deals gegenseitig absegnen und die nur einesstolz und wahrheitsgemäß bekennen: dass sie eine ehrenwerte Familiesind. (SZ, 31.10.07)
(den Text hab ich vom Tom per mail bekommen)
Mittwoch, 31. Oktober 2007
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